Das Hartz IV Menü in der Praxis und das des Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin |
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Von Hella Hilgenberg
Die Sarrazin-Diät (oder: Senatorkost ?)
Länger als drei Jahre wussten Hartz IV-Empfänger nicht, wie sie es fertig bringen
sollten, sich von rund 120 € im Monat zu ernähren. Endlich – Mitte März 2008 –
kommt ein kompetenter Fachmann daher, nämlich der Berliner Finanzsenator Thilo
Sarrazin, und gibt uns sein „Hartz IV-Menü“ zum besten. Wie es heißt, hat er seine
Sekretärin zum Einkaufen in einen Plus-Markt geschickt.
Was machen Leute, die keinen Billigheimer in der Nähe haben? Bei uns im Ort gibt
es einen Aldi, einen Edeka und einen Nahkauf - und das war’s. Die Bewohner der
umliegenden Dörfer müssen, wenn sie kein Auto haben, bei fahrenden Händlern
einkaufen. Das ist dann 20 bis 30 % teurer. Die Händler müssen ja schließlich auch
ihren Sprit bezahlt kriegen.
Herrn Sarrazins Einkaufsliste umfasste angeblich die Vollversorgung für drei Tage,
bestehend aus Frühstück, Mittagessen, einer Zwischenmahlzeit und Abendessen.
Ein Finanzsenator, der noch nie in seinem Leben an einem Herd gestanden oder gar
selbst eingekauft hat, wie man an seinen Menüzusammenstellungen deutlich
erkennen kann, stellt einen Ernährungsplan auf? Hat er sich den selbst ausgedacht?
Ein Ernährungswissenschaftler kann jedenfalls nicht daran mitgewirkt haben, das
sehe ich als erfahrene Hausfrau auf den ersten Blick. Frische Salate und Gemüse
kommen so gut wie nicht vor. Und was ist mit der Flüssigkeitszufuhr? Seit Jahren
wird uns immer wieder erzählt, wir sollen mindestens zwei Liter Flüssigkeit am Tag
trinken, drei Liter seien noch besser. Oder sind das alles nur Werbesprüche der
Getränkehersteller? In Sarrazins Menüs taucht pro Tag etwas mehr als ein Liter
Flüssigkeit auf, und das auch nur, wenn ich die Flüssigkeit in Gurke, Gemüsesuppe,
Joghurt usw. mitzähle. Also, Herr Sarrazin, abgesehen von Vitaminen und
Vitalstoffen fehlt auch noch ein Liter Wasser pro Tag. Nicht überall ist das
Leitungswasser trinkbar. Bei Aldi kosten 1,5 Liter Mineralwasser 0,19 €. Dann zählen
Sie mal zu Ihren Endsummen mindestens 13 Cent pro Tag für Mineralwasser dazu.
Und außerdem, lieber Herr Sarrazin, haben Sie sich beim zweiten Tagesmenü auch
noch verrechnet. Sie geben als Tagessumme 3,80 € an. Es sind aber 3,90 €! Wenn
wir dazu noch die 13 Cent für das Wasser addieren, kommen wir schon in den
Gefahrenbereich von über 4,00 €, den Sie ja meiden wollten wie der Teufel das
Weihwasser.
Von solchen Kleinigkeiten ganz abgesehen, gehen Sie von falschen Zahlen aus.
35 % des Hartz IV-Regelsatzes sind für Nahrung und alkoholfreie Getränke gedacht.
35 % von 347,00 € sind 121,45 €. Das wären 3,99 € pro Tag. Und selbst dieser
Anteil wurde ab dem 1.7.06 auf 113,57 € herabgekürzt, um anderen
Ausgabepositionen ein paar Cent mehr zuzuschieben. Also eine reine
Augenwischerei. Bei einem Monatsetat von 113,57 € bleiben pro Tag nur noch
3,73 €. Wie um alles in der Welt kommen Sie auf 4,25 €, Herr Sarrazin?
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Möglicherweise liegt Ihrer Berechnung auch der buchhalterische Wert von 30 Tagen
pro Monat zugrunde. Das Jahr hat aber 365 reale Tage (2008 sogar 366), ein Monat
im Durchschnitt somit etwas mehr als 30,4 Tage. Wenn Sie einen Monat pauschal
mit 30 Tagen ansetzen, müssen Sie aber dazu sagen, dass alle Hartz IV-Empfänger
an 5 Tagen im Jahr auf Nulldiät gesetzt werden. In Schaltjahren gibt es 6 Tage im
Jahr nichts zu essen und nichts zu trinken.
Auf jeden Fall danke ich Ihnen recht herzlich, Herr Senator, dass Sie mit Ihrem
Hartz IV-Menü bewiesen haben, dass es mit 3,73
€ am Tag keinesfalls möglichist, sich zu ernähren. Mit 4,25
€ übrigens auch nicht!Der „kleine“ Unterschied zwischen 4,25
€ und 3,73 € am TagNach längerem Nachdenken und einigen Berechnungen bin ich Ihnen endlich auf die
Schliche gekommen, Herr Sarrazin. Die Wahrheit ist: Sie haben schlicht und
ergreifend geschummelt! Pfui, Herr Senator, schämen Sie sich! Die richtigen Zahlen
sehen so aus:
Bedarfspositionen der EVS im Regelsatz (RS)
(EVS = Einkommens- und Verbrauchsstichprobe; der Regelsatz von 2005 beruht auf
der EVS von 1998, der von 2006 auf der EVS von 2003).
RS 2006 RS 2005
Nahrungsmittel und Getränke 113,57 € 126,96 € (inkl.
alkoholische Getränke)
alkoholische Getränke 7,50 (nicht vorgesehen)
Tabakwaren und Genussmittel 6,24 5,52
Verzehr außer Haus 8,17 10,06
Summe:
135,48 142,54Sie, Herr Sarrazin, haben zu dem Satz von 113,57 für Nahrungsmittel inklusive
alkoholfreier Getränke illegaler weise die 7,50 € für alkoholische Getränke sowie den
Betrag von 8,17 € für Verzehr außer Haus einfach mal hinzugerechnet. Damit
kommen Sie auf 129,24 €. Dieser Betrag durch 30,4 Tage geteilt ergibt exakt 4,25 €.
Dummheit kann ich Ihnen nicht unterstellen, Herr Finanzsenator. Also kann ich ein
solches Vorgehen nur als arglistige Täuschung bezeichnen. In den Medien macht es
sich natürlich sehr viel besser, wenn Sie der Masse der Bevölkerung vorgaukeln,
jeder Hartz IV-Empfänger habe täglich 4,25 € für die Ernährung. 3,73 € hört sich
dagegen schon gar nicht mehr so toll an, nicht wahr? Warum haben Sie nicht gleich
noch die 6,25 € für Tabak mitgenommen, Herr Rechenkünstler? Oder die 7,59 € für
Schuhe? Oder die 5,19 € für Möbel und Einrichtungsgegenstände?
Nun wird sich mancher Leser fragen: „Wie sind denn all die Hartz IV-Empfänger drei
Jahre lang über die Runden gekommen, wenn das so ist?“
Das kann ich Ihnen erklären. Die meisten haben Eltern, Großeltern, Onkel, Tanten,
Geschwister oder Freunde, die immer wieder mit Geld oder Essen aushelfen. Eine
große Anzahl wird von den öffentlichen „Tafeln“ vor dem Verhungern gerettet. Aber
eine solche Einrichtung gibt es nicht in jedem Ort, schon gar nicht in den kleinen
Dörfern, wo das Einkaufen besonders teuer ist. Außerdem finde ich es falsch, wenn
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soziale Vereine mit Hilfe von Spenden die Fehler der Politiker kaschieren; denn auf
diese Weise übernimmt wieder einmal die Allgemeinheit die Pflichten des Staates.
Es gibt auch Hartz IV-Empfänger, die sich kleine Dienstleistungen bezahlen lassen.
Das wird dann von unseren hochbezahlten Politikern gleich als Schwarzarbeit
verteufelt. Ist ein Mensch kriminell, wenn er jede Möglichkeit ergreift, um nicht zu
verhungern?
Viele Arbeitslose haben nach und nach ihr Schonvermögen aufgebraucht. Ich selbst
hatte als allein erziehende arbeitslose Mutter nicht die Möglichkeit, Geld beiseite zu
legen, sondern musste von der Hand in den Mund leben. Seit Beginn der Hartz IV Katastrophe
habe ich alles verkauft, was sich zu Geld machen ließ. Nähmaschine,
Gitarre, Ghettoblaster, Fotoapparat, Schmuckstücke … alles weg.
Zuletzt ging auch noch mein Uraltfahrzeug über den Jordan; denn unser
vertragsbrüchiger Finanzminister Peer Steinbrück hat im Juli 2007 die Kfz-Steuer für
alte Dieselfahrzeuge rückwirkend (!) zum 1.1.06 um 260 % erhöht (von 172 € auf 450
€ pro Jahr). Ich sollte plötzlich eine Rechnung von 620 € bezahlen. Das Finanzamt
gewährte mir auf Antrag Ratenzahlung, aber nur für drei Monate. Dass ein Hartz IV Empfänger
sich solche Summen nicht aus den Rippen leiern kann, sieht ein Blinder
mit dem Stock. Den Finanzminister und seine Beamten kümmert das nicht. Den
Besuch des – übrigens sehr netten – Vollstreckungsbeamten des Finanzamts habe
ich schon hinter mir. Aber die Schulden bleiben mir bis zum Lebensende erhalten.
Und Schulden machen mich krank.
Hin und wieder hört man ja auch, dass Arbeitslose und sogar Kinder verhungert sind.
Aber solche Pressemeldungen werden von der Zensur ganz schnell unterdrückt.
Hintergründe werden nicht bekannt geben. Im Gegenteil, den Betroffenen werden
geistige Störungen oder Schlimmeres unterstellt. Nur nicht genau nachforschen,
sonst würde sich herausstellen, dass gerade diese Menschen sich exakt an die
Vorschriften gehalten und keine unerlaubten Auswege aus der Misere (wie
Schwarzarbeit, Betteln, Abzocken, Diebstahl) benutzt haben.
Obwohl das bisher Gesagte schon beweist, dass Ihr Hart IV-Menü nichts weiter ist als
eine dümmliche Propagandakampagne mit üblen Anklängen an Volksverhetzung,
möchte ich mir den Spaß gönnen und Ihre Ernährungsvorschläge mal genauer unter
die Lupe nehmen.
Habe ich schon erwähnt, dass ich einen Single-Haushalt führe wie mehr als 50 %
aller Hartz IV-Bedarfsgemeinschaften?
Ich bin 61 Jahre alt und habe meine zwei Söhne seit deren drittem Lebensjahr allein
versorgt. Sie haben sich mit meinen Kochkünsten zu gesunden Zweimetermännern
entwickelt. Zu Ihrer Information, Herr Sarrazin: Ein Zweimetermann mit einem
Normalgewicht von 100 kg hat am Tag einen Grundbedarf von 2.400 Kalorien. Die
von Ihnen zusammengewurschtelten Menüs kommen im Durchschnitt auf 2000
Kalorien pro Tag.
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Tag 1 – Frühstück
Finanzminister Sarrazin serviert uns dazu
Menü
Kosten lt.
Sarrazin
reale
Kosten
2 Brötchen 0,30 € 0,56
25 g Marmelade 0,06 € 0,06
20 g Butter 0,10 € 0,10
1 Scheibe Käse 0,25 € 0,25
1 Apfel 0,24 € 0,40
1 Gl. Saft 200 ml 0,30 € 0,33
2 Tassen Tee 0,10 € 0,10
Summe:
1,35 € 1,80Hurra, es gibt Brötchen!
Die billigsten Brötchen beim Bäcker in der Nähe kosten 28 Cent pro Stück und
wiegen je 46 g. Mohnbrötchen und Sesambrötchen kosten 40 Cent, Körnerbrötchen
schon 50 Cent.
Beim Supermarktbackshop sind die billigsten Brötchen für 29 Cent zu haben, das
Stück. Was nun? Nur ein Brötchen zum Frühstück?
Bei Aldi finde ich Aufbackbrötchen, acht Stück für 85 Cent, also 21 Cent für zwei
Brötchen. Hört sich ja gut an. Kommt noch der Strom für’s Aufbacken dazu. Im Jahr
2006 habe ich für eine Kilowattstunde Strom, alle dubiosen Sondergebühren wie
Leistungspreis, Grundpreis, Verrechnungspreis sowie 16 % Mehrwertsteuer
eingerechnet, 17 Cent bezahlt. EON hat die Strompreise Anfang dieses Jahres um 10
% erhöht. Die Mehrwertsteuer ist um 3 % gestiegen. Dann wird der Strom zum
jetzigen Zeitpunkt um die 20 Cent pro Kilowattstunde kosten. Genau kann ich das
erst sagen, wenn im Mai die Jahresrechnung von EON kommt.
Die Aufbackbrötchen brauchen eine Menge Hitze. Und in den vorgeheizten Backofen
müssen sie auch. Acht Minuten Vorheizzeit, 12 Minuten Backzeit, das sind 20
Minuten Stromverbrauch. Was powert so ein Backofen raus? Ich schätze mal 3.000
Watt. Dann brauche ich eine ganze Kilowattstunde, die mich 20 Cent kostet, nur um
zwei Brötchen aufzubacken. Das sollte jedem energiebewussten Menschen
widerstreben. Wenn ich mir jeden Morgen zwei Brötchen aufbacke, kostet mich das
im Monat 6,00 €. Damit hätte ich schon fast ein Drittel der mir zustehenden
„Haushaltsenergie“ verbraucht, denn dafür sind im Regelsatz ganze 21,75 €
enthalten. Für 21,75 € liefert mir EON rund 110 kWh Strom im Monat. Das wären
1.320 kWh im Jahr. Mein tatsächlicher Verbrauch liegt aber doppelt so hoch. Den
Strom-Mehrpreis muss ich sowieso schon vom Ernährungsetat bezahlen. Wovon
denn sonst? Alle anderen Posten sind ja auch festgelegt und viel zu niedrig
angesetzt.
Laut Statistik lag im Jahr 2006 der durchschnittliche Jahresverbrauch an Strom,
wenn elektrisch gekocht und Badewasser elektrisch erhitzt wird, bei 1.800 kWh pro
Person. Bei dem derzeitigen Strompreis von 0,20 € pro Kilowattstunde muss ich dafür
360 € bezahlen. Das sind 30 € im Monat.
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Ich kann es mir also gar nicht leisten, Brötchen aufzubacken. Die Aldi-
Aufbackbrötchen kann ich sowieso nicht verwenden, weil 8 Stück in der Packung
sind und ich brauche nur zwei. Ich genehmige mir zwei Bäckerbrötchen à 28 Cent.
Mehrkosten für Brötchen: 0,26
€.Ein Klacks Marmelade
25 g Marmelade für drei Brötchenhälften. Allzu üppig ist das nicht, gerade mal zwei
leicht gehäufte Teelöffel voll. Und soll ich mir die Marmelade vor jedem Frühstück mit
der Diätwaage abwiegen, damit ich nicht aus Versehen 5 Gramm mehr nehme?
Großzügig Butter
20 Gramm Butter! Tatsächlich? Nicht schlecht, Herr Specht. Sogar zu einem
anständigen Preis. War das etwa ein Ausrutscher oder ist die Butter in Berlin soviel
teurer als auf dem flachen Lande? Aber Butter bringt ja auch die Kalorienbilanz nach
oben, nicht wahr, Herr Sarrazin?
Da wir nun schon gezwungen sind, mit Gramm und Cent zu rechnen, hätte ich von
Ihnen als Berufspolitiker gerne mal eine Frage beantwortet, die mich schon seit
Jahren beschäftigt. Fast alle abgepackten Industrie-Nahrungsmittel haben
Untergewicht. Bei einem Stück Butter wiegt das Papier schon um 5 Gramm. Ein
Stück Butter mitsamt dem Papier bringt 240 Gramm auf die Waage. Es müssen aber
250 Gramm sein. Jedes Stück Butter hat 10 bis 20 Gramm Untergewicht. Bei Butter
kann sich kein Hersteller auf Verdunstung oder natürliche Schrumpfung
herausreden. Fett schrumpft nicht. Lassen Sie mal den Jahresverkauf an Butter
ausrechnen, Herr Sarrazin, und sie werden feststellen, dass da ein Millionenbetrug im
Gange ist.
Das gleiche lukrative Spielchen läuft auch bei anderen Nahrungsmitteln ab wie
Zucker, Gelierzucker, Mehl usw. Wenn Politiker den Herstellern solche Abzockereien
weiterhin durchgehen lassen wollen, sollten sie uns Hartz IV-Empfängern zusätzlich
einen Betrugszuschuss gewähren. Wir werden ja nicht nur beim Fehlgewicht
verpackter Nahrungsmittel behumst, sondern auch bei Obst und Gemüse, das von
außen – vermutlich durch die radioaktive Bestrahlung – noch ganz frisch aussieht,
aber innen durchgefault ist. Haben Sie mal versucht, einen von innen her verfaulten
Apfel zum Supermarkt zurückzutragen und zu reklamieren? Da müssen sie erstens
ganz schnell sein; denn einen angeschnittenen Apfel können sie nicht stundenlang
liegen lassen. Zweitens brauchen Sie ein dickes Fell – aber das haben Sie ja, sonst
wären Sie kein Berufspolitiker.
Käse in Scheiblettengröße
Bei soviel Großzügigkeit von Seiten des Senators beim Zumessen der
Frühstücksbutter wird mir ja richtig milde zumute. Dann will ich die Scheibe Käse mal
so durchgehen lassen. Die leckeren Käsesorten kosten zwar weit mehr als 1,00 €
pro 100 g, aber zumindest haben wir schon einige Auswahlmöglichkeiten.
Frischobst – ein Apfel
Der Apfel bringt mich ins Grübeln. Bei Äpfeln bin ich wählerisch und die ganz billigen
schmecken mir meistens nicht. Die billigsten Äpfel bei Aldi kosten 1,59 € für einen
2 kg-Beutel. Ein moderner Normapfel wiegt durchschnittlich 200 g. Kosten für einen
Billigapfel: 17 Cent.
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Aber was mache ich mit den restlichen neun Äpfeln? Äpfel kommen nicht mehr vor,
weder an Tag 2 noch an Tag 3. Ich kann nur davon ausgehen, dass jeden dritten Tag
ein Apfel erlaubt ist. Dann reichen meine 2 kg/10 Stück Äpfel für 23 Tage. Ich habe
nur noch keinen Supermarktapfel erlebt, der sich 23 Tage lang lagern lässt.
Spätestens nach zwei Wochen sind die Dinger faul. Hinterhältigerweise meistens von
innen heraus, wobei die Schale bis zum Exitus aussieht wie neu.
Ich kaufe mir also lieber weiterhin Boskop, Einzelstücke, das Kilo zu 1,99 €. Pro
Stück macht das 40 Cent. 16 Cent mehr als erlaubt. Rein rechnerisch kann ich mir
dann nur alle 5 bis 6 Tage einen Apfel leisten.
Mehrkosten für einen Apfel: 0,16
€.Das Saftproblem
Ein Glas Saft, 200 ml, für 30 Cent ist okay. Aber was mache ich mit dem Rest? Für
Tag 2 sieht Herr Sarrazin keinen Saft vor. Erst am dritten Tag darf ich wieder ein
Gläschen zu mir nehmen.
Die Säfte bei Aldi sind alle in 1-Liter-Tüten. Ich kann eine angebrochene Safttüte
nicht neun Tage lang im Kühlschrank stehen lassen. Schauen Sie auch ruhig mal auf
die Etiketten Ihrer Edelsaftflaschen, Herr Sarrazin. Auf den meisten werden Sie den
Hinweis finden „Nach Anbruch innerhalb von 3 Tagen zu verbrauchen“ oder so
ähnlich.
Also, Herr Senator, hier greife ich grob in Ihre Berechnung ein. Der Saft wird auf drei
Tage verteilt. Bei Aldi gibt es gute Säfte zu Literpreisen von 0,79 €, 0,89 € und auch
zu 1,39 €. Ich lege einen Literpreis von 1,00 € zugrunde und verteile den Saft auf drei
Tage, das sind dann für jeden Tag 0,33 €.
Mehrkosten für Saft am 1. Tag: 0,03
€.Tee ohne Zucker
Sie werden einen Kaffeetrinker nicht dazu bringen, den Tag mit Tee anzufangen. Tee
ist wesentlich billiger als Kaffee. Daher lasse ich 5 Cent pro Tasse gelten.
Es soll tatsächlich Menschen geben, die sich einen Teelöffel Zucker in ihren Tee
rühren oder gar einen Schuss Zitronensaft oder Sahne. Zucker kostet bei Aldi um die
0,90 € pro Kilo. Ein gestrichener Teelöffel Zucker sind 5 g, für zwei Tassen Tee also
10 g Zucker, also knapp 2 Cent. Ich gehe mal davon aus, dass in Herrn Sarrazins
Preis von 5 Cent pro Tasse Tee die 2 Cent für den Zucker schon enthalten sind.
Zusammenfassung Frühstück, Tag 1
Ich habe – abgesehen vom fehlenden Kaffee - gut gefrühstückt. Da mir zum
Frühstück ein Brötchen ausreicht, habe ich die Hälfte der Butter und die ganzen 25 g
Marmelade auf zwei Brötchenhälften verteilt und zwei Tassen Tee getrunken. Das
zweite Brötchen, die restliche Butter, das Käsescheibchen und den Apfel hebe ich für
später auf. Saft mag ich zum Frühstück auch noch nicht.
Meine realen Kosten für das Frühstück liegen um 0,45
€ über Ihren Preisen,Herr Finanzsenator.
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Tag 1 - Mittagessen
Sarrazin bastelt Spaghetti Bolognese
Spaghetti Bolognese:
Kosten lt.
Sarrazin Reale Kosten
100 g Gehacktes 0,38 € (0,64 € - Preis in der Sauce enthalten)
125 g Spaghetti 0,15 € 0,25 €
20 g Parmesan nicht vorgesehen 0,28 €
200 g Tomatensauce 0,40 € 0,83 €
div. Gewürze / Öl 0,10 € (0,10 € - Preis in der Sauce enthalten)
Chicoreesalat nicht vorgesehen 0,59 €
Summe:
1,03 € 1,95 €Mehlpaps als Hauptgericht
Was haben Sie sich denn dabei gedacht, Herr Sarrazin? Spaghetti bestehen aus
nichts weiter als Mehl und Wasser. 125 g Spaghetti kann man schon für 0,14 €
kaufen. Vollkornspaghetti – und die sollten es für eine vollwertige Ernährung doch
wenigstens sein – hingegen 1,98 pro kg = 0,25 € für 125 g.
Im Gegensatz zu den meisten Deutschen finde ich Nudeln eklig. Seit dem längst
vergessenen Eierskandal würgt es mich im Halse, wenn ich an Nudelgerichte denke.
Und Spaghetti Bolognese ohne Parmesan geht gar nicht! In was für Restaurants
essen Sie denn, Herr Senator? Ich erlaube mir also, zwei Esslöffel = 20 g selbst
geriebenen Parmesan, Kilopreis bei Aldi 13,99 €, über Ihre Spaghetti zu streuen und
dafür 28 Cent zu berechnen.
Mehrkosten: 0,28
€ für Parmesan.200 g Tomatensauce mit 100 g Hackfleisch
Bei Aldi kostet ein Glas mit 400 g Bolognesesauce 0,75 €. Keine Ahnung, ob diese
Sauce meinem Geschmack entspricht oder nicht. Ich habe sie noch nicht
ausprobiert; denn meine Spaghettisauce mache ich selbst.
Zutaten für Bolognesesauce für 4 Personen:
2 mittelgroße Zwiebeln, zus. 100 g, (2 kg kosten 0,69 €) = 0,04 €
500 g Tomaten (Edeka: 1 kg = 2,49 €; Aldi: 1,09 €) = 0,55 €
400 g Gehacktes vom Fleischer (1 kg = 6,40 €) = 2,56 €
3 EL Öl (Aldi: 750 ml Rapsöl, kalt gepresst = 1,99 €) = 0,08 €
Knoblauch, Oregano, Wasser, gekörnte Brühe, Paprika, Pfeffer
gehören auch dazu. Die Preise dafür einzeln auszurechnen,
ist mir zu blöd. 10 Cent werden dafür nicht ausreichen,
aber der Einfachheit halber übernehme ich den Betrag so = 0,10 €
Die Zutaten für die Sauce kosten: 3,33 €
Das sind pro Portion 0,83 €. 100 g Hackfleisch für 0,64 € sind im Preis der Sauce
enthalten, 0,10 € für Öl und Gewürze ebenfalls. Wenn ich den Preis für das Fleisch
aus der Sauce herausrechne, kostet eine Portion Sauce, selbst gekocht, 0,19 €.
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Mehrkosten für die Sauce: 0,05
€.Und wo bleibt der Salat?
Spaghetti Bolognese sind ein ziemlich vitaminfreies Essen. Dazu sollte wenigstens
ein anständiger Salat gereicht werden. Grüner Blattsalat mit frischen Kräutern wäre
traumhaft. Oder Fenchel-Apfel-Salat mit gehobeltem Parmesan. Ein gesunder Salat
könnte allerdings den Preis für das Mittagessen glatt verdoppeln.
Ein ganzer Kopf grüner Salat oder Frisee-Salat ist für einen 1-Personen-Haushalt zu
groß. Kostet im Winter auch schon mal 1,99 € pro Stück oder mehr. Daher greife ich
lieber zu Salatherzen (Packung mit 2 bis 3 Stück zu 0,99 € bei Edeka) oder Chicoree
vom Aldi (0,65 € für eine Packung mit – je nach Größe – 2 oder 3 Stück). Beides hält
sich ein paar Tage im Gemüsefach des Kühlschranks.
Will ich mal nett sein zu Herrn Sarrazin und den billigeren Chicoree verwenden. 1 bis
1 ½ Chicoree, also die halbe Packung, ergibt eine gute Salatportion und kostet 0,33
€. An Chicoreesalat gehört unbedingt Zitronensaft. 4 Zitronen kosten 0,79 €. Eine
Zitrone brauche ich, somit 0,20 €. Fehlt noch ein Schuss Olivenöl (Walnussöl wäre
auch nicht schlecht). 750 ml Olivenöl bei Aldi = 4,25 €. 1 EL sind etwa 10 g und
kosten 6 Cent.
Salz und Pfeffer gebe ich gratis dazu und fertig ist eine Portion Chicoreesalat für
0,59 €.
Mehrkosten für Salat: 0,59
€.Also, noch mal zum Mitdenken, Herr Sarrazin: Spaghetti Bolognese à la Sarrazin –
mit Sauce, aber ohne Parmesan und Salat – kosten 1,08 €.
Mit Parmesan 1,36 €.
Mit Parmesan und Salat 1,95 €.
Mehrkosten für Spaghetti Bolognese: 0,92
€.Tag 1 – Zwischenmahlzeit
Sarrazin Realität
1 Tasse Kaffee und 0,05 € 0,10 €
1 Joghurt 0,35 € 0,35 €
Summe:
0,40 € 0,45 €Filtertüten vergessen
A propos Zwischenmahlzeit: Das zweite Brötchen vom Frühstück habe ich gegen 11
Uhr gegessen, belegt mit der restlichen Butter und der Käsescheibe, und dazu das
Glas Saft getrunken.
Nun darf ich nachmittags eine Tasse Kaffee und ein Joghurt zu mir nehmen. Haben
Sie schon mal mit der Kaffeemaschine eine einzelne Tasse Kaffee gekocht? Das
geht nur mit einer Espressomaschine. Der dafür nötige Kaffee oder Kaffeepads sind
aber teurer als 5 Cent pro Tasse.
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Preise bei Edeka:
Packungsgröße Preis Preis pro Tasse
18 Pads 1,99 € 11 Cent
16 Pads 2,49 15,6 Cent
10 Kapseln à 6,5 g 2,49 24,9 Cent
1 kg Espresso 12,49 6,2 Cent
1 kg Espresso 13,96 7 Cent
Der billigste Kaffee bei Aldi kostet 5,08 € für 1 kg. Bei 5 g Kaffeepulver pro Tasse
kostet mich das 2,5 Cent. Haben Sie solchen Billigkaffee schon mal getrunken, Herr
Sarrazin? Den würde ich noch nicht mal ungeliebten Gästen vorsetzen.
Mein Lieblingskaffee – African Blue von Tchibo – kostet allerdings 11,98 € je
Kilogramm. Da wären wir dann schon bei 6 Cent pro Tasse. Nehmen wir also einen
Mischpreis von 8,53 €/kg an, somit 4 Cent pro Tasse. Sahne zum Kaffee wollen wir
uns lieber verkneifen. Bei 0,48 € für 200 g Sahne käme ein Esslöffel Sahne = 10 g auf
2,4 Cent, womit die Obergrenze für Kaffee schon überschritten wäre. 20 g Milch (2
gestrichene Esslöffel) kosten auch schon 2 Cent. Dazu 5 g Zucker = noch mal 1 Cent
zusätzlich pro Tasse. Kaffeeweißer (0,65 € für 250 g) ist noch teurer: 2,6 Cent für
10 g.
Fragen Sie mal Ihre Sekretärin, wie man Kaffee aufbrüht. Sie werden dann zu Ihrer
Überraschung erfahren, dass dafür Filtertüten benötigt werden. Die kosten bei Edeka
1,49 € für 80 Stück = 2 Cent pro Stück. Mit 5 Cent pro Tasse Kaffee kommen Sie also
keinesfalls davon, Herr Sarrazin. Bei Filterkaffee sind wir schon ohne Milch und
Zucker bei 7 Cent pro Tasse. Ich gehe davon aus, dass Einzelpersonen gar nichts
anderes übrig bleibt, als Espresso oder Kaffeepads zu verwenden.
Ich berechne also für eine Tasse Kaffee moderate 0,10 €. Kaffee ist nun mal teurer
als Tee. Da lässt sich nichts wegrechnen.
Da ich die Milchquote auf einen Liter in drei Tagen erhöht habe, veredeln wir also mit
der „überschüssigen“ Milch unseren Kaffee.
Mehrkosten für den Kaffee: 0,05
€.Joghurt
Jedenfalls wird mir ein Joghurt für 35 ct zugestanden. Das wäre dann der billigste bei
Aldi. Ich kriege davon immer Sodbrennen. Also nehme ich lieber Joghurt pur,
schneide mir die Hälfte des Apfels vom Frühstück hinein, den Rest des Apfels esse
ich pur.
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Tag 1 - Abendessen
Küchenchef Sarrazin empfiehlt:
Kosten lt.
Sarrazin
Reale
Kosten
1/2 Gurke 0,30 € 0,25 €
130 g
Leberkäse (1
Scheibe) 0,56 € 1,27 €
200 g
Kartoffelsalat 0,34 € 0,47 €
Summe:
1,20 € 1,99 €Die Wassergurke
Eine Salatgurke kostet bei Edeka zur Zeit 0,49 €. Gewicht der von mir gewogenen
Gurke: 776 g. Von den 388 g einer halben Gurke geht noch das Gewicht der Schale
ab, die man bei Billiggurken nicht mitessen kann, weil sie mit gesundheitsschädlicher
Chemie behandelt wurde. Nach dem Schälen bleiben von der halben Gurke dann
350 g (geschätzt) ziemlich inhaltsfreier Wassermasse. Biogurken gibt es für den
Preis jedenfalls nicht.
Weniger Kosten für die halbe Gurke: 0,05
€.Es wird bayrisch
Ich muß doch mal nachsehen, ob Herr Sarrazin aus Bayern stammt. Eine halbe
Wassergurke, Leberkäse und Kartoffelsalat? Sowas kriege ich abends nicht runter.
Leberkäse auch sonst nicht. Aber sei’s drum.
Der Leberkäse wird zum Problem. Die 400 g-Packung kostet bei Aldi 1,69 €, somit
130 g = 0,55 €.
Ich müßte drei Tage hintereinander Leberkäse essen, sonst vergammelt mir das
Zeug. Es bleibt mir also nichts anderes übrig als zum Fleischerladen zu gehen und
mir exakt 130 g Leberkäse abwiegen zu lassen. 100 g Leberkäse kosten 0,98 €, 130
g sind dann für 1,27 € zu haben.
Mehrkosten für den Leberkäse: 0,71
€.Kartoffelsalat
Ein Kilobecher Kartoffelsalat ist bei Aldi für 1,69 € zu haben. Der ist auch gar nicht so
schlecht, wenn man noch ein paar saure Gurken, einen halben Apfel, ein paar
Paprikastreifen usw. hineinschnippelt.
Auf der Grundlage des Aldi-Großpackungspreises ist Ihre Berechnung mit 34 Cent für
200 Gramm Kartoffelsalat so weit richtig, Herr Senator. Wenn ich zu dem Preis
einkaufe, sitze ich nach dem Abendessen des ersten Tages auf 800 g nutzlosem
Kartoffelsalat! Ich weigere mich, fünf Tage nacheinander Kartoffelsalat zu essen!
Dann mache ich meinen Kartoffelsalat mal selber.
Zutaten für Kartoffelsalat, einfach, für 4 Personen:
11
1 kg Kartoffeln (Aldi: 5 kg = 1,55 €) 0,31 €
1/8 – 1/4 Liter heiße Brühe (100 g gekörnte Brühe kosten 3,49 €) 0,17 €
1 Zwiebel, ein paar Essiggurken, Salatmarinade, Pfeffer,
frische Kräuter 0,30 €
1 Becher Schmand 0,79 €
Für 4 Personen: 1,87 €
Das sind pro Portion 0,47 €.
Mehrkosten für den Kartoffelsalat: 0,13
€.Extraposten für Tag 1:
1/3 l Milch = 0,33 €
1 l Mineralwasser = 0,13 €
Zusammenfassung Tag 1
Sarrazin tatsächlich
Frühstück 1,35 € 1,80 €
Mittagessen 1,03 € 1,95 €
Zwischenmahlzeit 0,40 € 0,45 €
Abendessen 1,20 € 1,99 €
Extra nicht vorgesehen 0,46 €
Summe:
3,98 € 6,65 €An Flüssigkeit gab es zum Frühstück 330 ml Saft, 400 ml Tee. Rechnen wir für die
Spaghettisauce mal 100 ml Flüssigkeit. Dem Joghurt gestehe ich 150 ml zu. Mag die
Gurke noch 150 ml Flüssigkeit liefern, dann sind wir bei 1.330 ml angekommen.
Wie eingangs schon erwähnt, soll der Mensch 2 bis 3 Liter täglich trinken. Es fehlen
also mindestens 670 ml Flüssigkeit am ersten Tag.
Das billigste Mineralwasser bei Aldi kostet 0,19 € für 1,5 Liter.
1 Liter Wasser zusätzlich darf es pro Tag doch sicher sein = 0,13 €.
Einem Hartz IV-Empfänger stehen pro Tag 3,73 € für die Ernährung zur Verfügung.
Die von Ihnen, Herr Sarrazin, errechnete Tagessume von 3,98 ist falsch. Genau so
falsch wie der Betrag von 4,25 €, den Sie aus Unwissenheit oder zwecks Irreführung
der Bevölkerung als für die Ernährung bestimmten Anteil der Hartz IVGrundsicherung
nennen.
Für den ersten Tag der Sarrazin-Ernährung sind 6,65 € nötig. Ich habe aber nur
3,73 €. Mir fehlen 2,92 €.
Das summiert sich im Jahr auf 1.066,00 €!
12
Tag 2 – Frühstück
Sarrazin Realität
80 g Müsli 0,40 € 0,40 €
1 Banane 0,25 € 0,25 €
1/4 l Milch 0,35 € 0,33 €
1 Becher Joghurt 0,10 € 0,25 €
2 Tassen Kaffee 0,08 € 0,20 €
20 g Honig 0,00 ??? 0,07 €
Summe:
1,18 € 1,50 €Hühnerfutter zum Frühstück
Mit Müsli können Sie mich jagen, Herr Senator. Aber mein persönlicher Geschmack
tut hier ja nichts zur Sache. Die meisten Kinder würden sich wohl über Müsli zum
Frühstück freuen. Doch für Kinder sind Ihre Menüvorschläge ja nicht gedacht,
sondern für erwachsene Menschen. Und da hätte der eine oder andere vielleicht
ganz gerne mal ein Ei zum Frühstück. In Ihrem 3-Tage-Plan taucht nicht ein einziges
Ei auf. Merkwürdig.
Sarrazin-Müsli: 80 g Müsli zu max 40 Cent entspricht einem 100 g-Preis von 50 Cent.
Müsli gibt es in allen Preislagen und Qualitäten. Müsli bei Aldi sogar schon für 30
Cent pro 100 g.
Sorte Preis/kg
Früchte-Müsli 2,39
Wellness-Flakes 2,92
Aldi-Müsli 3,00
Kölln Erdbeer-Joghurt 4,65
Seitenbacher 6,65
Daher hake ich den Preis für 80 g Müsli = 0,40 € so ab.
Nun muß ich schon zum Frühstück wieder die Diätwaage zu Hilfe nehmen; denn
wenn ich aus Versehen 90 oder gar 100 g Müsli in mein Schälchen schütte, wird die
Lücke am Monatsende immer größer.
Trotzdem frage ich mich, wie eine Mutter mit zwei Kindern im Schulkindalter es
fertigbringen soll, ihre Blagen davon abzuhalten, sich das Müsli selbst aus der
Packung auf den Teller zu schütten. Und Schulbrote gibt es für Kinder offensichtlich
auch nicht. Da haben Sie aber Glück, Herr Sarrazin, dass ich hier nur einen Single-
Haushalt erforsche.
Haben Sie überhaupt eine Ahnung, Herr Senator, was Jungs im Teenageralter so
wegputzen? Da sind 4 bis 6 Stullen am Tag gar nichts. Fragen Sie mal Ihre
Haushälterin.
Allet Banane
Eine Banane für 25 Cent dürfte passen.
13
Die Milchquote
Ein Liter Vollmich 3,5 % kostet bei Aldi derzeit 0,73 € (1/4 l = 0,18 €). Ich stehe auf
die Vollmilch von Bärenmarke (3,8 %, Literpreis 1,19 €, ¼ l = 0,30 €). Alarm! Alarm!
Herr Sarrazin, Sie gestehen uns einen zu hohen Einkaufspreis für Milch zu. Um nicht
der einseitigen Auslegung meiner Berechnungen bezichtigt zu werden, ändere ich
den Preis mal auf 0,25 € für ¼ l Milch.
Bei der Milch zeigt sich wieder das übliche Problem: Ich muß einen Liter kaufen, darf
innerhalb von 3 Tagen aber nur einmal ¼ l verbrauchen. Soll der Rest vergammeln?
Ich mache es mal wie beim Saft und verteile den Liter Milch auf 3 Tage. Dann gibt es
täglich 1/3 l Milch à 33 Cent.
Tag 1 und Tag 3: zusätzlich 1/3 l Milch zu 33 Cent.
Dafür Tag 2 einen Abzug von 2 Cent von der Milchquote.
Weniger Kosten für die Milch: 0,02
€.Abgelaufener Joghurt?
Joghurt für 10 Cent pro Becher gibt es in meinem Wohnort nicht. Die hier ansässigen
Supermärkte vernichten abgelaufene Lebensmittel, um sich nicht das Geschäft zu
verderben. Bei Aldi kostet ein Becher Joghurt zwischen 35 und 39 Cent. Der billigste
ist Magermilchjoghurt im Viererpack (4 * 150 g) zum Preis von 0,89 €. Das sind pro
Becher 22,3 Cent. Ich korrigiere Ihren Eintrag für Joghurt auf 25 Cent.
Mehrkosten für den Joghurt: 0,15
€.Der Kaffee wird billiger
Am zweiten Tag kostet eine Tasse Kaffee nur noch 4 Cent? Wie das, Herr Sarrazin?
Wer Sahne und Zucker in seinen Kaffee tut, muß dann halt eine billigere Kaffeesorte
kaufen. Aber 4 Cent geht gar nicht. Wir bleiben mal schön bei 10 Cent pro Tasse und
ich setze für die zwei Tassen Kaffee zum Frühstück 20 Cent ein. Es kann ja auch mal
sein, dass man Lust auf eine dritte Tasse Kaffee hat. Überhaupt – was macht man mit
Freunden und Besuchern, die ausgerechnet zur Kaffeezeit auftauchen? Müssen die
sich ihre Kaffeepulverration selbst mitbringen? Lieber gar nicht erst die Tür
aufmachen, wenn es zur Kaffeezeit klingelt.
Mehrkosten für den Kaffee: 0,12
€.Honig gibt’s umsonst
Der Honig zum Frühstück kostet also gar nichts? Oder wurde das Einsetzen des
Preises für 20 g Honig schlichtweg vergessen?
Honig kostet bei Aldi pro 100 g 0,208 € bzw. 0,358 €. Ich nehme einen Mischpreis
aus diesen beiden Sorten, schließlich will man ja auch mal Abwechslung haben, und
lege 28,3 Cent für 100 g Honig zugrunde. Honig ist schwer. 20 g – das ist 1
gestrichener Eßlöffel voll. 7 Cent für den Honig.
Und was fange ich jetzt mit dem Honig an? In die Milch rühren? Das Müsli damit
süßen? Dafür wird er wohl gedacht sein.
Mehrkosten für den Honig: 0,07
€.14
Tag 2 – Mittagessen
Porreelastige Wassersuppe
Sarrazin Realität
100 g Kartoffeln 0,05 € 0,05 €
1 Möhre 0,05 € 0,05 €
1/2 Kohlrabi 0,30 € 0,30 €
1 Stange Porree 0,30 € 0,30 €
80 g Rindfleisch 0,50 € 0,50 €
div. Gewürze/Kräuter 0,15 € 0,15 €
1 Glas Tee 0,05 € 0,05 €
Summe:
1,40 € 1,40 €100 g Kartoffeln
Die billigsten Aldi-Kartoffeln kosten 1,55 € für 5 kg. Die haben aber so viele schwarze
Stellen und Löcher, dass 20 bis 30 % Abfall entsteht. Ich gehe davon aus, dass für das
Süppchen 100 g geschälte und von Schadstellen befreite Kartoffeln vorgesehen sind.
Ich brauche also voraussichtlich 130 g Kartoffeln im Urzustand. 5 Cent für die
Kartoffeln ist in Ordnung.
1 Möhre
1 kg billige Möhren bei Aldi = 0,49 €.
1 kg Bio-Möhren = 0,89 €
Eine Billigmöhre à 100 g darf ich an die Suppe tun, aber Bio ist nicht drin.
½ Kohlrabi
Kohlrabi gibt’s hier zur Zeit nicht. Dann kann ich den Preis von 30 Cent nicht
überprüfen. Lasse ich mal so stehen.
Porree bis zum Abwinken
Bei Aldi gibt es 1 kg zu 0,95 €. Je nach Dicke enthält eine Packung 2 bis 4 Stangen.
Wollen Sie wirklich 300 g Porree in der Suppe versenken, Herr Senator, also dreimal
soviel Porree wie Kartoffeln? Was auch immer dabei herauskommen mag, ich lasse
Ihr Rezept so stehen und den Preis für Porree auch.
Diverse Gewürze/Kräuter
Auch hier lasse ich die 0,15 € stehen. Frische Kräuter sind da allerdings nicht drin.
1 Glas Tee
Wie gehabt – wird so akzeptiert.
Was fehlt beim Mittagessen?
Ich vermisse eine mittelgroße Zwiebel (70 g = 2 Cent).
Die Zwiebel wird in Öl angebraten (2 Eßlöffel = 4 Cent).
Ohnehin ist das ganze Süppchen ziemlich fettfrei, das hält nicht lange satt. Mit 10 g
Butter = 4 Cent ließe sich der Geschmack wesentlich verbessern. Auch zwei bis drei
Knoblauchzehen könnten nicht schaden. Das wären dann, je nach Saisonpreis,
nochmals geschätzte 5 Cent.
15
Sie sehen, Herr Sarrazin, mit Ihren Kochkünsten ist es nicht weit her. Um aus Ihrer
Zutatenliste eine halbwegs schmackhafte Suppe zu kochen, müßte ich ungefähr 15
Cent mehr investieren. Das nur am Rande bemerkt. Diese Mehrkosten lasse ich
einfach mal unter den Tisch fallen.
Tag 2 – Zwischenmahlzeit
Sarrazin Realität
1 Glas Tee 0,05 € 0,05 €
3 Kekse (60 g) 0,20 € 0,20 €
Summe:
0,25 € 0,25 €1 Glas Tee und 3 Kekse
Bei Aldi kosten Kekse zwischen 0,20 € und 0,70 € pro 100 g. Wenn ich davon
ausgehe, dass Ihre drei Kekse 60 g wiegen, sind also nur Billigkekse angesagt. Und
ich muß die Kekspackung sorgfältig unter Verschluß halten, damit nicht etwa ein
Besucher oder ein Familienmitglied naßforsch zugreift und meine abgezählten Kekse
wegfrißt. Wie soll das eine Mutter ihren hungrigen Kindern erklären? Oder eine Tante
ihren Nichten und Neffen? Oder eine Oma ihren Enkeln?
Tag 2 – Abendessen
Preise lt.
Sarrazin
tatsächliche
Preise
2 Scheiben Brot 0,12 € 0,13
2 Scheiben Käse 0,50 € 0,50
1 Scheibe Billigwurst 0,15 € 0,15
100 g Krautsalat 0,20 € 0,28
20 g Butter 0,10 € 0,10
Summe:
1,07 € 1,16Endlich gibt es mal Stullen
Was wiegt eine Scheibe Brot? Gehen wir mal davon aus, dass eine Scheibe Brot 50 g
wiegt. 750 g Graubrot kosten bei Aldi 1,49 €. Für 100 g sind das 0,20 €. 500 g
Paderborner Brot kosten bei Aldi 0,65 €. Billiger geht’s kaum, und trotzdem komme
ich auf 0,13 € für 100 g.
Außerdem ernähren sich viele Arbeitslose hauptsächlich von Brot. Entweder haben
sie keine Ahnung vom Kochen oder ihnen wurde der Strom abgeklemmt, weil sie ihre
Stromrechnung nicht bezahlen konnten. Im ALG II sind 21,75 € für Strom enthalten.
Davon gehen 6,72 € für Warmwasserbereitung weg. Bleiben 15,03 € für Licht,
Kühlschrank, Waschmaschine, Kochenergie – von Fernseher, Computer,
Kaffeemaschine, Toaster oder gar Durchlauferhitzer zum Duschen usw. ganz zu
schweigen.
Wer jeden Tag nur eine halbe Stunde Strom zum Kochen verbraucht zu 2000 Watt
pro Stunde, hat in 30 Tagen schon 30 kWh = 6,00 € verbraucht. Eine 60-Watt-Birne,
5 Stunden am Tag, braucht in 30 Tagen 9 kWh = 1,80 €. Der Kühlschrank zieht – je
nach Alter – für etwa 10 € Strom im Monat. Da kommen wir auch ohne
Waschmaschine schon ins Minus. Der Fernseher muß ausgeschaltet bleiben. Das ist
auch besser so. Dann müssen wir uns nicht dauernd die Beschimpfungen von
gutverdienenden Politikern anhören, die uns als faul und unverschämt bezeichnen.
16
Duschen nur mit Kurzzeitwecker?
Für Warmwasserbereitung werden mir am Tag 6,72 € zugestanden. Ich habe einen
Durchlauferhitzer in der Küche und einen an der Dusche. Jeder meiner
Durchlauferhitzer verbraucht 18 kW pro Stunde. Das heißt, eine Stunde heißes
Wasser laufen lassen kostet bei einem Preis von 0,20 € pro kWh 3,60 €. Ist dabei
einmal täglich Duschen noch erlaubt? Selbst wenn ich für jedes Duschen nur 3
Minuten lang heißes Wasser brauche, kostet mich das in 30 Tagen (= 90 Minuten)
schon 5,40 €.
Wenn ich dann jeden Tag eine weitere Minute heißes Wasser zapfe zum
Geschirrspülen, habe ich zusätzlich 1,80 € an Stromkosten.
Wie Sie sehen, Herr Senator, fehlen auch bei äußerst sparsamem
Warmwasserverbrauch schon wieder 0,48 €.
Mehrkosten für Brot: 0,01
€.Käse
Wird so akzeptiert (siehe Tag 1, Frühstück).
Billigwurst
100 g Bierschinken kosten bei Aldi 0,59 €. Da dürfen wir uns also 25 g Bierschinken
auf eine Brotscheibe legen.
Drei Tage lang Krautsalat
Der 400 g-Becher Krautsalat kostet bei Aldi 0,89 €. Das sind für 100 g 22 ¼ Cent. Die
restlichen 300 g Krautsalat werden sich hoffentlich zwei Wochen lang halten. Die
Kilopackung Krautsalat ist mit 1,69 € zwar billiger, aber es bleiben 900 g übrig. Und
die halten sich ganz sicher nicht lange genug, um sie auf die nächsten Wochen zu
verteilen.
Der gekaufte Krautsalat ist sowieso nicht das Gelbe vom Ei. Ich mache ihn lieber
selbst. Ein Kopf Weißkohl kostet derzeit bei Aldi 1,69 €. Das ist dann ein
Kawenzmann von mindestens 2 kg. Dann kämen 100 g auf günstige 8 ½ Cent.
Für die Marinade brauche ich:
1 Zwiebel 2 Cent
10 g Öl 3 Cent
½ Zitrone 10 Cent
Salz, Pfeffer, Zucker 5 Cent
Dann kommt der Krautsalat auf abgerundet 29 Cent.
Ein Netz mit 4 Zitronen kostet bei Aldi 0,79 €, bei Edeka 0,89 €. Für Bio-Zitronen
muß ich allerdings für 4 Stück 1,49 € ausgeben (Stückpreis 37 Cent). Das nur mal am
Rande erwähnt. Arbeitslose haben keinen Anspruch auf Bio-Nahrung. Gesunde
Ernährung steht nur Aufsichtsräten und anderen hohen Herren aus Politik und
Wirtschaft zu, nicht wahr, Herr Sarrazin?
Wenn es mir nicht gelingt, den restlichen Weißkohl zu verbrauchen, bevor er
vergammelt, wird’s noch teurer.
Mehrkosten für den Krautsalat: 0,08
€.17
Butter
Habe ich schon vorgerechnet und lasse ich so stehen.
Extraposten für Tag 2
1/3 Liter Saft = 0,34 € (Die Erklärung dafür finden Sie unter Tag 1, Frühstück).
1 Liter Mineralwasser (1,5 l für 0,19 €) = 0,13 €
Zusammenfassung Tag 2
Sarrazin tatsächlich
Frühstück 1,18 € 1,50 €
Mittagessen 1,40 € 1,40 €
Zwischenmahlzeit 0,25 € 0,25 €
Abendessen 1,07 € 1,16 €
Extra nicht vorgesehen 0,47 €
Summe:
3,90 € 4,78 €Wie schon gesagt, haben Sie sich hier zu Ihren Gunsten verrechnet. Die
Tagessumme ergibt 3,90 € und nicht 3,80 €.
Tag 3 – Frühstück
Preise lt.
Sarrazin
tatsächliche
Preise
3 Scheiben
Vollkornbrot 0,12 € 0,38 €
2 Scheiben
Wurst 0,30 € 0,30 €
1 Scheibe Käse 0,25 € 0,25 €
2 Tassen Kaffee 0,10 € 0,20 €
1 Glas Saft 0,30 € 0,33 €
20 g Butter 0,10 € 0,10 €
1 Mandarine 0,25 € 0,25 €
Summe:
1,42 € 1,82 €Preisdumping beim Brot
Zum Abendessen am 2. Tag gab es 2 Scheiben Brot für 0,12 €. Das war schon nicht
machbar. Und nun sollen sogar 3 Scheiben Vollkornbrot für 12 Cent zu haben sein?
Lieber Herr Sarrazin, Vollkornbrot ist teurer als das normale Schwammbrot. Nicht nur
das, es ist auch schwerer.
Ich habe lange nach genießbarem Vollkornbrot gesucht. Die meisten Sorten
verwandeln sich beim Kauen in eine eklige breiige Masse und stecken außerdem
voller Chemie (Farbstoffe, Aromastoffe, Rührhilfen, Schönungsmittel).
Ich gönne mir den Luxus und verwende das leckere und gesunde Barbara-Rüttung-
Brot. Das hat zudem den Vorteil, dass es sich locker eine Woche lang im Kühlschrank
lagern lässt, ohne zu schimmeln oder auszutrocknen. Die 500 g-Packung Rütting-Brot
enthält 8 Scheiben à 62,5 g und kostet 1,49 €. Das sind pro Scheibe 19 Cent.
Da gutes Vollkornbrot gehaltvoller ist als Graubrot und auch besser sättigt, dürften 2
Scheiben zum Frühstück ausreichen.
18
Mehrkosten für Brot: 0,26
€.Wurst
Lasse ich so stehen (siehe Tag 2, Abendessen)
Käse
Übernehme ich auch so (siehe Tag 1, Frühstück)
Kaffee
Pro Tasse 10 Cent! (siehe Tag 1, Zwischenmahlzeit).
Mehrkosten für Kaffee: 0,10
€.Saft
Die Saftration wird auf 1/3 Liter erhöht (siehe Tag 1, Frühstück).
Mehrkosten für Saft: 0,03
€.Butter
Ist okay (siehe Tag 1, Frühstück).
Mandarine
Lose Mandarinen gibt’s hier nicht. Auch Clementinen und Orangen sind nur in
Netzen zu 8 bis 10 Stück zu kaufen. Da kann ich nur Ihren Preis übernehmen.
Tag 3 – Mittag
Konservenfutter
Sarrazin tatsächlich
1 Bratwurst 0,38 € 0,70 €
Senf nicht vorgesehen 0,05 €
Kartoffelbrei, 1
Portion 0,25 € 0,25 €
150 g Sauerkraut 0,12 € 0,12 €
Gewürze / Öl 0,20 € 0,20 €
Summe:
0,95 € 1,32 €Bratwurst ohne Senf
Mit Großpackungen können Sie hier nicht rechnen, Herr Sarrazin.
Bei Aldi kostet eine Packung Bratwurst der billigsten Kategorie 1,75 € und enthält 6
Bratwürste à 90 g. Das wären dann pro Bratwurst 0,29 €.
Die frische Bratwurst kostet bei Aldi 1,59 € pro Packung. Inhalt 5 Stück à 80 g. Da
kommt eine Bratwurst auf 0,32 €.
Soll ich die restlichen 5 bzw. 4 Bratwürste weiterverkaufen (dafür müßte ich ein
Gewerbe anmelden und etliche Auflagen erfüllen) oder wegwerfen? So geht das also
nicht, Herr Senator. Eine einzelne Bratwurst kann ich nur beim Schlachter kaufen.
Und da kostet das Stück 0,70 €.
Mehrkosten für Bratwurst: 0,32
€.19
Senf
1 Tube Senf, 200 ml, kostet 0,89 €. 10 ml Senf (= 4 Cent) zur Bratwurst dürfen es
doch sicher sein. Da sich Senf nicht auf’s Gramm genau aus der Tube drücken lässt,
runde ich den Senf auf 5 Cent auf.
Mehrkosten für Senf: 0,05
€.Kartoffelbrei aus der Tüte?
Tüten-Kartoffelbrei kann ich nicht verwenden. Bei Aldi kostet eine Packung
Kartoffelbrei 0,95 €. Die Packung enthält 6 Beutel für je 3 Portionen. Zum Anmischen
benötige ich zusätzlich 15 g Butter (7,5 Cent) und 125 ml Milch (12,5 Cent) pro Beutel.
Theoretisch kostet eine Portion dann 0,38 €, praktisch kann ich mit Tütenbrei nichts
anfangen, weil ich keine Einzelportionen herstellen kann.
Kartoffelbrei wird also ebenfalls selbst hergestellt.
Wieviele Kartoffeln dürfen es denn sein, Herr Senator? Ich nehme mal 300 g
Kartoffeln im Urzustand. Wenn ich sie dünn schäle und nur wenige Schadstellen
rausschneiden muß, bleiben etwa 250 g übrig. Wie für das Mittagessen am 2. Tag
schon durchgerechnet, setze ich für 300 g Kartoffeln 0,15 € ein. Dazu 0,05 € für 10 g
Butter. Die Milch dafür können wir von dem Drittelliter der verteilten Überschußmilch
abzwacken.
Tüten-Kartoffelbrei ist in wenigen Minuten angerührt. Für selbst gemachten
Kartoffelbrei müssen die Kartoffeln eine halbe Stunde kochen. Eine halbe Stunde
Kochzeit bei 1.000 Watt Stromverbrauch pro Stunde (geschätzt) schlägt mit 0,10 €
zu Buche. Um die Sache nicht zu komplizieren, lasse ich hier Ihren Preis von 0,25 €
für eine Portion Kartoffelbrei stehen.
Drei Tage lang Sauerkraut pur
Die kleinste Packungsgröße gibt’s bei Aldi: Der 500 g Beutel Sauerkraut zu 0,35 €.
Das sind 10 ½ Cent für 150 g. Man könnte das Sauerkraut noch mit angebratenen
Zwiebelwürfeln (2 Cent) und einem halben Apfel (20 Cent) verfeinern. Aber nun ja, in
der Not frißt der Teufel fliegen. Also Sauerkraut pur für Arbeitslose.
Gewürze und Öl
Das übernehme ich so.
Tag 3 – Zwischenmahlzeit
1 Glas Tee u. 1 Banane
0,30 €Kann ich so gelten lassen.
Tag 3 - Abendessen
Sarrazin Realität
2 Scheiben Brot 0,12 € 0,13 €
100 g Quark
(Kräuter) 0,30 € 0,30 €
1 Scheibe Schinken 0,30 € 0,30 €
2 Tomaten 0,27 € 0,27 €
2 Glas Tee 0,10 € 0,10 €
Summe:
1,09 € 1,10 €20
Brot
Mit 13 Cent für 100 g Brot habe ich schon in die unterste Schublade gegriffen (siehe
Tag 2, Abendessen).
Mehrkosten für Brot: 0,01
€.Kräuterquark
Der 200 g-Becher kostet bei Aldi 0,49 €. In dem Quark muß man die Kräuter aber mit
der Lupe suchen. Für die „überschüssigen“ 5 Cent könnte ich den Quark vielleicht
noch mit einem Teelöffel Kresse oder Schnittlauch aufmotzen.
Schinken
Bei Aldi kostet Schinken zwischen 0,60 € und 1,14 € pro 100 g. Für 30 Cent kann ich
mir dann 50 g des billigsten Schinkens oder 26 g teuren Schinken auf’s Brot packen.
Tomaten
Lose Tomaten bei Aldi: 1,09 € pro kg; bei Edeka 2,49 € pro kg. Bio-Tomaten gut das
Doppelte.
Eine kleine Tomate wiegt ungefähr 80 g. 160 g Tomaten also zwischen 0,17 € (Aldi)
und 0,40 € (Edeka). Dann müssen Leute, die keinen Aldi oder anderen Billigmarkt in
der Nähe haben, eben eine Tomate weniger essen. Und Bio-Tomaten sind sowieso
tabu.
Ich lasse hier, mit einigen Bedenken, Ihren Preis so stehen, Herr Sarrazin.
Tee
Wie gehabt – wird so akzeptiert.
Extraposten für Tag 3:
Für die Verteilung von 1 l Milch auf 3 Tage: 0,33 €.
1 l Mineralwasser: 0,13 €
Zusammenfassung Tag 3:
Sarrazin tatsächlich
Frühstück 1,42 € 1,82 €
Mittagessen 0,95 € 1,32 €
Zwischenmahlzeit 0,30 € 0,30 €
Abendessen 1,09 € 1,10 €
Extra nicht vorgesehen 0,46 €
Summe:
3,76 € 5,00 €Fazit
Preisvergleich:
Sarrazin Realität
Tag 1 3,98 € 6,65 €
Tag 2 3,90 € 4,78 €
Tag 3 3,76 € 5,00 €
Summe:
11,64 € 16,43 €Tagesdurchschnitt:
3,88 € 5,48 €21
Sie sehen, Herr Sarrazin, selbst mit Rechenfehler und mal eben den Preis für den
Honig vergessen ist es Ihnen nicht gelungen, das Essensgeld für Hartz IV Empfänger
auf den Betrag zu drücken, der für Ernährung zur Verfügung steht. Und
das sind nun mal 3,73 € am Tag. Auch mit 5,48 € am Tag ist es – ganz abgesehen
von den fehlenden Kalorien – nicht möglich, sich auf Dauer gesund zu ernähren.
Das Porreesüppchen am zweiten Tag hat es allerdings gebracht: nur 88 Cent
Mehrkosten für Tag 2. Dafür hat das Mittagessen allerdings auch nur mickrige
393 kcal. Das müssen dann nachmittags die Kekse rausreißen.
Mehrkosten Tag 1 2,67 €
Mehrkosten Tag 2 0,88 €
Mehrkosten Tag 3 1,24 €
Summe:
4,79 €Durchschnittliche
Mehrkosten pro Tag
1,60 €Wenn ich an drei Tagen für eine Minimalernährung schon 4,79 € mehr brauche als
Sie sich zusammengerechnet haben, Herr Finanzsenator, dann summiert sich der
Fehlbetrag im Laufe eines Monats (30 Tage) auf 47,90 €. Der in der Grundsicherung
vorgesehene Betrag von 113,57 € für Ernährung reicht bei durchschnittlichen
Ernährungskosten von 5,48 € pro Tag für knapp 21 Tage. Wundert es jetzt noch
jemanden, dass Arbeitslose in der letzten Woche jedes Monats Kohldampf schieben?
Oder ungesunde Scheiße fressen?
Zu allem Übel kommt noch hinzu, dass die Arbeitsagentur sich in vielen Fällen
erfolgreich vor der Übernahme der vollen Wohnnebenkosten drückt. Das führt letzten
Endes dazu, dass die Rücklagen für Bekleidung und Schuhe, Haushaltsgeräte,
Reparaturen, Gesundheitspflege, Verkehrsmittel, Freizeit, Unterhaltung, Kultur
angegriffen werden.
Haben Sie überhaupt eine Vorstellung davon, wie ungesund die Ernährung ist, mit
der sich Arbeitslose über die letzten Tage des Monats retten? Das wird sich dann in
absehbarer Zeit bei den Krankheitskosten bemerkbar machen. Dafür werden dann
wieder die zur Kasse gebeten, die noch einen bezahlten Job haben. Billiger wäre es,
wenn sich nicht nur die Reichen gesund ernähren können, sondern dies auch den
Armen zu gestanden wird.
Der Vorteil von Mangelernährung ist, dass die Lebenserwartung drastisch sinkt. Das
erfreut die Regierung. Und die Arbeitslosen sind froh, dass sie das Elend endlich
hinter sich haben.
Zu wenige Kalorien
Kalorien Tag 1: 2.147 kcal
Kalorien Tag 2: 2.039 kcal
Kalorien Tag 3: 1.907 kcal
Summe: 6.093 kcal
Mit Ihren drei Tagesmenüs kommen wir auf insgesamt 6.093 Kalorien. Das sind pro
Tag durchschnittlich 2.031 Kalorien.
Mit rund 2.000 kcal reicht die Ernährung für einen 83 kg-Menschen aus.
22
Der Kalorienbedarf errechnet sich folgendermaßen: Pro Kilogramm Körpergewicht
und Stunde braucht ein Erwachsener 1 kcal.
Wer sich viel bewegt oder gar Sport treibt, braucht mehr. Aber wir Arbeitslosen
dürfen ja sowieso das Haus nicht verlassen, damit wir der Arbeitsagentur jederzeit
für die zahlreichen Stellenangebote zur Verfügung stehen.
Da wir nur einen Tagessatz von 3,73 € für Ernährung haben, die Preise der von
Herrn Sarrazin vorgeschlagenen Lebensmittel für 3 Tage sich aber auf 16,43 €
summieren, was einen Durchschnittspreis von 5,48 € pro Tag ergibt, müssen wir
sämtliche Mengen um ein Drittel verringern. Dann bleiben uns pro Tag rund 1.300
kcal. Das reicht noch nicht einmal für die deutsche Normfrau aus, die laut
Bekleidungsindustrie 1,68 m groß ist und demnach ein Normalgewicht von 68 kg
haben dürfte. Die Normfrau braucht rein rechnerisch schon 1.632 kcal am Tag. Nur
wer nicht mehr als 54 kg wiegt, kommt mit 1.300 kcal über den Tag.
Was raten Sie denn Menschen mit 1,80 m oder gar 2,00 m Körpergröße, Herr
Senator? Am besten den ganzen Tag im Bett bleiben und bloß nicht bewegen?
Aber das Problem löst sich ja letzten Endes von selbst. Wer nicht rechnen kann
verhungert und die anderen sind auch bald runter auf 54 Kilo.
Zyniker werden jetzt sagen, dass ja schließlich die meisten Arbeitslosen in den drei
Jahren seit Einführung von Hartz IV überlebt haben, und sehen das als Beweis dafür
an, dass es machbar ist. Diese Behauptung kann ich genauso widerlegen wie Ihren
Ernährungsplan, Herr Senator, aber das würde hier zu weit führen.
Ich könnte jetzt auch noch die Nährwerte dieser Billigprodukte ausrechnen und
würde wahrscheinlich auf eine erschreckende Bilanz kommen. Schließlich kann
jeder, der ein bißchen von gesunder Ernährung versteht, auf den ersten Blick
erkennen, dass frisches Gemüse und Obst kaum vorkommt. Aber das Berechnen der
Nahrungsinhaltsstoffe überlasse ich Fachleuten. Ich habe für diese Woche genug
gerechnet.